Die maschinengeschriebenen Tagebuchblätter einer Unbekannten aus der Zeit von August 1944 bis Mai 1945 mit dem Titel: „Äußerer Zerfall – innere Größe“ sind die erschütternde Hinterlassenschaft einer Frau, die gemeinsam mit anderen Personen eine Gefangenenhilfe in Berlin organisiert. In ihren Aufzeichnungen protokolliert die Autorin die Verhaftungswelle nach dem Stauffenberg-Attentat im Juli 1944 und die Betreuung christlicher „Widerstandsarbeiter“ im Gestapo-Gefängnis Lehrter Straße, Berlin durch Glaubensbrüder und -schwestern, die sie die „Unsrigen“ nennt. Die Aufgabe dieses Unterstützerkreises besteht in der Ermutigung, Begleitung und praktischen Unterstützung (Lebensmittel, Wäsche…) inhaftierter Pfarrer beider Konfessionen und anderer Gläubiger während ihres Prozesses vor dem Volksgerichtshof unter seinem Präsidenten Roland Freisler. Die zur Gruppe gehörenden Priester begleiten die wegen Hochverrats zum Tode verurteilten auf ihrem Gang zur Hinrichtung nach Plötzensee. Rechtsberatung, Besuchsvorbereitung, der Schmuggel von Kassibern, Messbücher und Hostien in eigens dafür hergestellten Bursen, die Verpflichtung von Offizialverteidigern und vieles mehr sind mutige Hilfen dieser christlichen Gemeinschaft, mit denen die Frauen der Inhaftierten oder in Konzentrationslagern internierten Widerstandskämpfer unter Todesgefahr unterstützt werden. „Wir alle hängen über einem Abgrund an einem sehr dünnen Faden. “ Dies schreibt die anonyme Protokollantin, die vor allem den Mut und die Entschiedenheit einiger Frauen lobt und diese namentlich erwähnt. Immer wieder äußert sie die Hoffnung auf „Befreiung“ und betrauert „die Märtyrer für das andere Deutschland“. Am 20. April 1945 erfolgt der letzte Besuch der Gefangenenhelfer in der Lehrter Straße; die dort noch verbliebenen 60 Häftlinge werden von einer Sonderkommission kurz vor der Kapitulation erschossen.